Die traurige Geschichte vom edlen Ritter von dem Tyr und seinem Hügelriesen
(Aus den persönlichen Aufzeichnungen von El-Sayal)
Also, da zieh´ ich da doch so mit diesem größenwahnsinnigen Typen mit seiner scheinen-den Rüstung,
seinem ach-so tollen Aussehen, und so wahnsinnig höflichen Auftreten durch die Gegend. Mit ihm und
mit seinem Leibwächter, einem Monster, dessen Eltern eine Orc-Frau mit der Intelligenz einer Stubenfliege
und ein Hügelriese mit dem Aussehen eines Ochsenfrosches gewesen sein muß. Ich hätte es wissen sollen,
daß das schiefgehen mußte; aber man ist eben einfach zu gutmütig ...
Angefangen hat das Unheil dann in irgendso einem Fischerdorf an irgendeinem verlassenen See, dessen
Namen ich vergessen habe. Auf jeden Fall war das das erste Dorf seit langem, das von den Plattnasen
noch nicht platt gemacht worden war (die hatten wahrscheinlich einen Min-derwertigkeitskomplex wegen
ihrer Nasen, weswegen sie alles genau so platt machten, wie es ihre Nasen schon waren. Hahah,
guter Witz !). Wir machten uns schon Hoffnung, daß wir hier vielleicht Näheres erfahren könnten, und vor
allem, daß wir etwas zu essen bekommen könnten. Mein Magen hatte schon seit längerem gefährlich zu
Knurren angefangen.
Beim Gedanken an was zu Essen muß dem Hügelriesen dann wohl der letzte Rest von geistiger Fähigkeit
in den Magen gerutscht sein, von wo sie flugs in den Verdauungstrakt transportiert wurde und nie wieder
gesehen ward. Irgendwie muß er die Dorfbewohner für Hühnchen oder irgendwas anderes Eßbares gehalten
haben. Jedenfalls packte er seine Lanze, brach in ein ohrenbetäubendes Geschrei aus, und ritt wie vom
wilden Affen gebissen auf die armen, abgerissenen Fischersleute zu. Die waren auch vollkommen von den
Socken und haben sich gleich in ihre Häuser eingeschlossen. PRIMA. Der Hügelriese war dann ziemlich
enttäuscht, daß sein Mittagessen sich nicht von ihm hatte aufspießen lassen. Zum Glück hatte mir
Tymora wenigstens einen guten Gedanken geschickt, als ich diesen Scheiss-Auftrag angenom-men habe.
Ich meine den Gedanken, Levion, die alte Pappnase mitzunehmen. Der brachte die Situation nämlich mit
viel überredungskunst und ein paar Goldstücken wieder ins Lot. Was ihm ich und mein Magen zu danken
haben.
Der Tragödie erster Teil, und der zweite folgt sogleich.
Wir zogen weiter. Weiter nach Senphar, irgendsoein Kalifat an diesen See, dessen Namen ich vergessen
habe. Bis jetzt hatten die Plattnasen den meisten Dörfern, die wir gesehen hatten, ziemlich übel
mitgespielt. Aber hier im Kalifat waren die Leute irgendwie intelligenter. Die hatten ihr Hirn mal
dazu gebraucht, nachzudenken, anstatt es nur als Gegengewicht zum fetten Bauch zu benutzen, wie es
die meisten reichen Säcke tun. Also haben sie sich gedacht: "Hmm, besiegen können wir sie wahrscheinlich
nicht, , dann sollten wir uns vielleicht mit ihnen ver-bünden !? " Ta-Daaa ! Ein intelligenter Gedanke
war geboren und Senphar war gerettet. Die Plattnasen hatten zwar das ein oder andere Gebäude konfisziert,
aber ansonsten ging´s den Leuten eigentlich einigermaßen gut.
Aber genug geschwallt. Wir kommen also in die Hauptstadt (die einzige Ansammlung von Häusern seit
Tiefwasser, die die Bezeichnung "Stadt" überhaupt verdiente), schaun uns die Stadt an, und, wie es
eben so kommt, kommen wir auch in die Nähe des Palastes. Gawain muß natürlich gleich die Wachen anlabern.
Er will den Kalif sehen ! Ich hätte mir ja fast vor Lachen in die Hosen gepinkelt ! Der glaubte doch wohl
nicht im Ernst, daß sich der Kalif hier irgend-wie um den gerechten König von Cormyr scheren würde ?!
Natürlich wollten sie ihn nicht reinlassen, und baten uns höflich aber bestimmt, uns zu trollen. Levion
und ich waren schon am Gehen, als wir mit Schrecken feststellen mußten, daß sich Gawains Hügelriese mit
der Wache anlegte. Ich hab nicht genau gesehen, wie es angefangen hat, aber er hatte sich wohl direkt
vor den Anführer hingestellt und ihm einen seiner stechenden Blicke geschenkt. Klar, daß das dem Anführer
nicht gefallen hat, wahrscheinlich hat er Angst gehabt, daß so was ansteckend sein könnte. Und jetzt
standen sich die beiden Auge in Auge gegenüber, und der Soldat brabbelte irgendwas, und fuchtelte mit
den Händen nach dem Hügelriesen-Schwert. Sah so aus, als ob so was wie Widerstand gegen die Staatsgewalt
bevorstand, sprich, der Typ wollte Gawains Hü-gelriesen hops nehmen, was sich der höchstwahrscheinlich
nicht gefallen lassen würde. Also hätte sich jetzt eigentlich Gawain mal um seinen Hügelriesen kümmern
sollen, er hatte ihn als seinen Leibwächter angeschleppt, also war das auch seine Sache. Aber anstatt
den Riesen bei der Hand zu nehmen, ihm das Schwert wegzunehmen, und mit der Wache anständig zu reden,
sprang er irgendwie seltsam um die Gruppe herum, und auch Levion konnte mit seinem Sprachwissen nicht
mehr helfen. Ich begann zu befürchten, daß der Hügelriese unter anstek-kendem Hirnzerfall litt, und jetzt
auch Gawain von dieser Krankheit befallen war.
Die Situation spitzte sich jedenfalls zu, und der Hügelriese wurde umstellt. Das war für Levion und
mich das Signal, schleunigst zu verschwinden. Sich mitten in einer Stadt mit den Wachen anzulegen, war
eine wirklich dumme Idee, und wir hatten beide keine Lust auf einen längeren Aufenthalt in einem
senpharischen Gefängnis. Also machten wir uns auf die Socken, raus aus der Stadt, für alle Fälle.
Da saßen wir dann also irgendwo zwischen Gras und Büschen, als irgendwann doch tat-sächlich Gawain
angelatscht kam. Levion und ich haben ihm dann erst mal kräftig den Kopf gewaschen. Ich hab ihm klar
gemacht, daß, wenn es noch einmal passieren würde, daß er sei-nen Hügelriesen nicht unter Kontrolle hat,
er nicht mehr mit mir zu rechnen braucht. Dann wäre ich raus aus dem Spiel. Ende, Schluß. Er hörte
aber gar nicht richtig zu, und schien unsere Position üBERHAUPT nicht verstehen zu können, ganz im
Gegenteil. WIR wären es doch gewesen, die ihre Kameraden im Stich gelassen hätten. Und spätestens da
hätte ich es wissen müssen. Hirnschrumpfung, akut, eventuell ins chronische übergehend.
Der Tragödie zweiter Teil, und der dritte folgt sogleich.
Und wieder zogen wir weiter, immer nach Osten, auf der Suche nach weder-ich-noch-sonst-irgendwer-in-der-
Gruppe-wusste-was. Wir haben uns einer Karavane angeschlossen, endlich mal eine gute Idee. Obwohl mir
dieses ewige Reiten auf diesen stinkigen Vierbeinern ganz schön auf den Zeiger ging. Aber der Führer der
Karavane hatte anscheinend irgendso einen Wisch von den Plattnasen, mit dem wir sicheres Geleit hatten.
Sicher vor den Plattnasen wenigstens.
Steppe, Steppe, Steppe, bis es einen Tages so weit war: die akute Hirnschrumpfung sprang auf den größten
Teil der Gruppe über. Auf den Elf, auf Barral, und sogar auf Mormea (hätte ich ja nun wirklich nicht
gedacht). Gawain und der Hügelriese waren ja schon lange infiziert.
Wir ziehen also friedlich durch die Steppe, ohne was Böses zu denken, und reiten uns langsam die ärsche
wund, als plötzlich ein Pfeilhagel auf uns runter geht. Ich sprang natürlich sofort von dem Gaul und
versteckte mich hinter einem der Wagen. Die meisten Mitglieder der Karawane waren weniger geschickt
oder geistesgegenwärtig, und mußten dran glauben. Wer uns da beschossen hatte ? Ja, nun seltsame Viecher,
die mir vorher noch nie über den Weg ge-laufen sind. Pferde mit Menschenoberkörpern. Klingt pervers,
ich weiß.
Aber genauso plötzlich, wie sie angefangen hatten, hörten sie auch wieder auf. Sie brüllten was
(die waren tatsächlich intelligent genug, um zu reden; mehr als man von Gawains Hügel-riesen sagen
konnte) und deuteten auf die Wagen. Ich schloß messerscharf, daß sie die Wagen und das Zeug wollten,
das drauf war. Konnten sie wegen mir haben, gehörte mir eh nicht ! Also nahm ich mein Pferd, und begann,
mich zu trollen. Der Anführer der Karawane schien sein Hirn auch nicht in der Lotterie gewonnen zu haben,
ließ seine Baumwolle im Stich, und machte sich auch von dannen. Und daß Levion schlau genug war, das
Gleiche zu tun, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. Aber als wir schon am Gehen waren, da passierte
es: der verrückte Hügelriese hatte seine letzten paar Hirnzellen dazu benutzt, einen gar teuflischen Plan
auszuhecken. Eigentlich glaube ich ja, daß es gar nicht seine Idee war, sondern daß ir-gendein übler Gott
ihm den Gedanken eingegeben haben muß, Tyrannos, oder wie heißt der Neue noch ? Ja richtig, Cyric. Von
alleine konnte er da gar nicht draufgekommen sein. Er hatte die Viecher (hießen wohl Zentauren, wie
Levion mich belehrte) in einem Bogen umgangen, und einen von hinten angegriffen und umgenietet. Einen
von zwanzig.
Die anderen neunzehn hatten jetzt natürlich nichts anderes mehr im Sinn, als ihrerseits ihn umzubringen.
Kann man ja verstehen, irgendwie. Eins war mir klar: in einem offenen Kampf war die Wahrscheinlichkeit,
umgebracht zu werden ziemlich hoch. Also nix wie weg. Die mei-sten anderen (außer dem Hauptmann und
Levion) schienen jedoch zunächst anderer Meinung zu sein, und warfen sich und ihr geschrumpftes Hirn
in den Kampf. Ziemlich schnell hatten sie dann aber ein Einsehen, und flohen Hals über Kopf. Können
von Glück reden, daß sie irgendso einen magischen Schnickschnack dabei hatten, sonst hätte es ziemlich
düster ausgesehen.
Mir war klar: bei diesem fliegenden Suizidkommano mit akuter Hirnschrumpfung würde ich nicht viel länger
bleiben. Da könnte man sich ja genausogut den eigenen Dolch in den Hals stecken. Und ich hatte es
Gawain schon gesagt: wenn ihm seine verrückte Leibwache noch einmal außer Kontrolle geraten würde, dann
konnte er nicht mehr mit mir rechnen. Am Ende hielt uns der Hügelriese nochmal für gebratene
Schweinskaldaunen, und begann uns lebendig aufzufressen. Nein danke, kein Bedarf.
Die nächste Stadt lag aber im Osten, zurück nach Senphar war es doch ziemlich weit. Was blieb mir also
übrig, als zunächst noch weiter mit diesem verrückten Haufen zu ziehen. Ich beschloß aber, mit den
einzigen beiden Normalen zu reden, Levion und der Hauptmann.
Der Tragödie dritter Teil, und der vierte folgt sogleich.
So konnte es nicht weitergehen. Diese Zentauren waren sicher nicht gut auf uns zu sprechen, und der
Hauptmann meinte, bei deren Ehrenkodex konnten wir uns gleich einen Strick nehmen, weil die keine Ruhe
geben würden, bis sie sich gerächt hatten. Was war also zu tun ? Gab es irgendeine Möglichkeit uns zu
retten ? Oder doch den Strick ? Weil ich noch keine Lust hatte, mein Leben zu beenden, dachten wir alle
mal ganz scharf nach, und da kam uns eine Idee. Warum lieferten wir nicht den Hügelriesen an die Zentauren
aus ? Er war es schließlich, der einen von den Zentauren abgestochen hatte. Wir retteten damit nicht nur
unser Leben, son-dern auch das der anderen in der Gruppe. Mal ganz abgesehen davon, daß wir alle in
Zukunft keine Angst mehr haben mußten, irgendwann in seinem Kochtopf zu landen. Gute Idee, fand ich.
Sehr gute Idee sogar. Nur Levion bekam moralische Bedenken. Daß die Leute aber auch immer so unflexibel
sein müssen. Er wollte partout nicht mitmachen, und so konnte ich mich mit dem Hauptmann auch nicht
mehr weiter unterhalten. Was müssen die auch so eine abartig barbarische Sprache sprechen ? Also kam
es wie es kommen mußte.
Der Hauptmann begann irgendwann damit, sein Pferd zu satteln, was ich als Zeichen ansah, dass er das
Weite suchen wollte, weshalb ich mich spontan entschloss, das Gleiche zu tun. Ich konnte Mormea noch
überzeugen, daß es das Beste sein würde, sich zu krümeln. Wäh-rend ihre Hirnverkümmerung wohl schon
wieder zurückgegangen war, war jetzt Levion voll davon betroffen. Er bekam einen weiteren moralischen
Anfall und wollte den anderen Ver-rückten partout beistehen. Denn selig sind die geistig Armen. Also
ritten wir eben zu dritt von dannen. Der Hauptmann laberte noch mit den Zentauren und machte ihnen klar,
daß wir ihnen nichts Böses wollten, und sie den Hügelriesen unseretwegen ruhig haben konnten.
Nach einem halben Tag bekam dann auch noch Mormea moralische Bedenken ! Könnt Ihr Euch das vorstellen,
Mormea und moralische Bedenken, Mormea ?! Dieselbe Mormea, der es nichts ausmacht, sich beim Kämpfen
hinter anderen, etwas breiter gebauten zu verstecken, um danach beim Einsacken von diversen Dingen um
so schneller zur Hand zu sein !? Dieselbe Mormea, die es genießt, armen jungen Druiden und anderen
Jungs den Kopf zu verdrehen ? Ich meine, nicht daß ich gegen solche Sachen irgendwas einzuwenden hätte;
aber daß sie jetzt einen Anfall moralischer Verwirrung bekam, fand ich schon seltsam. Und wie es eben
so ist, ich kann einer schönen Frau nunmal (fast) nichts abschlagen, also versprach ich ihr, daß wir
nach zwei Tagen noch mal nach diesem Haufen Verrückter schauen würden. Was wir dann auch taten.
Zu meinem Entsetzen konnte ich schon von Weitem erkennen, daß der Hügelriese immer noch dabei war.
Aber Gawain fehlte. Er hatte sein Dummheit mit dem Leben bezahlt. Ironie des Schicksals, daß derjenige,
der das alles auf dem Gewissen hatte, überlebt hat. Levion hat mir dann noch von der Schlacht erzählt.
Und da kam schon etwas Wut in mir auf. Okay, ich habe Levion zurückgelassen, aber nur, weil er das
selbst so wollte. Aber daß Gawain ihm nicht geholfen hat, als die Zentauren ihn als Geisel genommen
hatten, und ihm fast die Gurgel durchgeschnitten hätten, kann ich Gawain nicht verzeihen.
So starb also Gawain, Seite an Seite mit untoten Zentauren und einem verrücktgewordenen Elfen.
Beide kämpften bis zum Ende, und Levion war es nur noch möglich den Elfen zu retten, um Gawain war
es geschehen. Und auch wenn mich jetzt der ein oder andere strafende Blick trifft: er hatte es
nicht besser verdient.
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